Mittwoch, 5. Oktober 2011

Kapitel XYZ

Das Seelenritual... Was hatte er sich dabei gedacht es sofort an Ort und Stelle zu vollziehen? Es würde Folgen haben, das stand außer Frage. Niklas würde toben, wenn er hinter die Wahrheit kam. Der junge Krieger wusste nicht viel über die Gebräuche des Wolfstammes. Es würde also eine Weile brauchen bis er erfuhr, dass ein Schamane nur EINE Bindung eingehen konnte. Dann jedoch... Würde er es trotz seines hitzigen Temperamentes verstehen? Würden die anderen seines Stammes verstehen, dass er das Ritual schnell vollziehen musste? Sein Stamm würde es verstehen. Die anderen Schamanen kannten sicher das Gefühl, dass er hatte als er Gideon über den Weg lief. Es war ein ziehen, als würde etwas in seinem Innersten danach rufen eins zu werden mit der Seele des Jungen.
Wichtiger war die Frage, ob sein Stamm es Gut heißen würde. Denn auch wenn sie es verstünden, so gab es dennoch eine Abmachung zwischen dem Herrscher des Waldvolkes und dem Herrscher des Wolfsstammes, der kein geringerer war als sein Vater. Zwischen beiden Herrscherlinien sollte ein Bündnis geschlossen werden. Es sollte ein tiefes Bündnis werden, ein Seelenbündnis, zwischen Niklas, Prinz des Waldvolkes und Koji, Prinz des Waldes. Nein, Gut heißen würden sie es nicht, die Abmachung war gebrochen. Die Beziehung der beiden Völker würden sich erneut abkühlen, der Schatten des Krieges würde wieder eine reelle Bedrohung werden. Alles wegen ihm...
Aber konnte ein Schamane sich diesem Gefühl überhaupt wiedersetzen, hatte er eine Wahl gehabt? Er hatte schreckliche Sachen gehört, über Wölfe die mit der Zeit nur noch leere Hüllen waren, weil ihr Seelenpartner - in der Regel durch einen frühzeitigen Tod, bevor das Zeremoniell abgehalten werden konnte - unerreichbar geworden war, so dass sie unfähig waren mit anderen eine Verbindung einzugehen. Sie gingen daran mit der Zeit zu Grunde, denn das ziellose Ziehen der eigenen Seele wurde unerträglich, machte wahnsinnig. Hätte er Gideon heute nicht kennengelernt wäre es nicht so schlimm gewesen. Er wäre den Bund mit Niklas eingegangen und wäre dann vor ähnlichen Folgen gefeit gewesen. Auch wenn ein späteres Aufeinandertreffen die Hölle geworden wäre.
Nun, die Dinge kamen anders. Einer vom Volk der Oneirin wurde heute stattdessen sein Seelenpartner. Eine äußerst seltene Verbindung, deren Häufigkeit in der Geschichte seines Volk man mit einer Pfote abzählen konnte. Was würde mit seiner Seele passieren, wenn der Junge sich für den ewigen Traum entschied? Hatte das Gespräch ihn mehr zum Traum getrieben? Trotzdem war er überzeugt, dass sein Handeln das einzig richtige gewesen war. Gideon würde es sonst immer für einen Traum halten, je früher ihm die Illusion genommen wurde umso besser. Er hatte alles ihm mögliche getan, ihm alle Möglichkeiten aufgezeigt. Vielleicht hätte er ihm noch die geheime Höhle unter dem Felsen zeigen sollen, wo ein Teil der Schläfer sein, aus seiner Sicht, trostloses Dasein fristete. Doch das wäre eventuell zuviel gewesen. Jetzt galt es nur zu hoffen, dass der Junge die richtigen Schlüsse zog, und dass der Traum ihn aus seinen Fängen ließ. Er spürte noch wie die mentale Signatur des Jungen schwächer wurde und sandte ihm noch einen warmen Gedanken in den Schlaf.

Dienstag, 9. August 2011

Eines Nachts

Es ist trübe. Nebel hängt wie ein dichter Vorhang über der Welt und transformiert jede Existenz in ein matschiges Grau. Man sieht kaum den Boden, aber auf irgendetwas setzt er Schritt um Schritt, also muss es wohl einen Boden geben.
Zumindest hier fällt er nicht ins Endlose. Endlose Furcht, endlose Zermürbung, endlose Vorwürfe, endlose Trauer. Diese Dinge haben keinen Boden. Es sind gähnende, hungrige Löcher begierig jeden aufzusaugen, der ihnen in die Falle läuft.
Dicke Tropfen lösen sich von seinem Körper als er sich schüttelt und fliegen ins Nichts. Kurz innehaltend schaut der Mann ihnen nach. Die Stille der Umgebung hat etwas Wohltuendes. Hier kann man vergessen wer man war, woher man kam. Es spielt keine Rolle wohin man ginge, denn jeder Meter ist wie der andere. Er mag zudem die Feuchte, liebt das Element Wasser, welches diese Witterung mit sich bringt. Es erfrischt ihn, reinigt sein Inneres, als würde man durch ein Netz laufen, an dem alles Schlechte hängen blieb.
Ein Ast, den er übersehen hatte, trifft seine Stirn. Es schmerzt. „Du bist kein gutes Kind“, meint der Mensch am anderen Ende der Leitung. Gesagt wird etwas anderes, er hört es jedoch nur undeutlich, obwohl die Lautstärke des Telefons auf höchster Stufe eingestellt ist. Es liegt vermutlich daran, dass durch den Nebel die Ausbreitung des Schalls abgedämpft wird. Es ist gut nicht alles zu hören. Diese Welt hier ist gut, denn niemand findet ihn hier. Der Mensch - er glaubt es ist sein Vater - spricht derweil weiter. Dem Mann wird klar, dass sein Gegenüber nichts von der Existenz dieser Welt hier weiß, nicht weiß wo der Mann lebt, oder warum er dort lebt.
Kein guter Sohn… Ein guter Sohn würde sich um seine Mutter kümmern, gerade weil sie zwei so ähnliche Seelen sind. Er sieht den offensichtlichen Zusammenhang nicht. Er hat einfach keinen guten Sohn.
Das plötzliche Erscheinen eines Schattens vor ihm ließ ihn aufblicken. Sie ist auch hier… Beide wissen voneinander, treffen ab und zu aufeinander, aber irren weiterhin alleine durch den Nebel. Es gibt vermutlich kein „zusammen“ im Nebel. Gibt es überhaupt ein „zusammen“?
Es wurde plötzlich kälter. Kein guter Sohn… „Sie wollte sich umbringen, aber deinetwegen hatte sie neuen Lebensmut bekommen.“
Kein guter Sohn… Wie ein böses Mantra hallt es durch seinen Kopf. Ein unerträgliches Stechen macht sich in seinem Herz breit. „Fort, nur fort von hier, bevor das Begreifen wieder anfängt“, denkt er noch. Aber es ist zu spät. Andere, bösartige Schatten kommen hinzu. Er läuft, rennt. Aber sie sind schneller als er, umkreisen ihn, kommen so nahe, dass er ihre enttäuschten Gesichter sieht. Er krümmt sich zusammen und verschließt seine Augen, in der Hoffnung, dass sie alle verschwinden würden. Es wird nichts helfen, er kennt ihre Natur. Sie sind die, die sind, allein weil sie sind.
Wären sie nicht mehr… Wären ihre Klauen nicht mehr, die an ihm zerren, ihn zerreißen. Wäre dieser Strudel nicht… Wäre er ein guter Sohn…
Er schreit, die Schuld in seinem Kopf dreht sich, die Erinnerungen an all die Ereignisse verdichten sich. Sein Herz schlägt immer schneller, er hat unsagbare Angst. Diese Monster sind zu groß für ihn. Sein Verstand stößt an Grenzen. Er wird genau hier wahnsinnig werden und kann nur lachen.
Dann hört er die Sirene, jemand macht sich an seinem Arm zu schaffen. Er spürt ein leichtes Stechen und sinkt, und sinkt, bis da nur noch süße Schwärze ist.

Montag, 2. Mai 2011

Ich brauche dringend 300€

Ich brauche dringend 300 Euro, möchte aber keine Drogen verkaufen. Es gibt meistens Probleme mit den Bullen, und die Kids verprügeln einen manchmal. Anschaffen wäre eine Alternative, aber seit diesem Unfall mit meinem Hintern... Sagen wir einfach es ist schwerer geworden.
Ich mein, mit ehrlicher Arbeit habe ich es auch schon versucht, aber das ist nichts für mich. Ich bin da einfach nicht kompatibel mit der Arbeit. Es ist so ein schlechtes Gefühl beim Aufstehen früh morgens durch das mir Gott sicher sagen will, dass es besser wäre nicht zu arbeiten. Meine Freunde sagen das wäre nur Müdigkeit/Unlust und das hat doch jeder. Bullshit. Ich leide an einer seltenen Krankheit aufgrund derer es mir objektiv nicht möglich ist Arbeit zu leisten. Aber das erkennt natürlich niemand an. Das wiederum macht mich traurig und depressiv. Mein Arzt sagt: "Treiben sie doch einfach mehr Sport. Sie brauchen einfach etwas um sich auszutoben." Das ist natürlich Unsinn. Ich spiele doch schon jeden Tag Computer. Traurig bin ich dennoch.
Auf jedenfall ist da so eine Convention im August auf die ich unbedingt möchte. Frust reimt sich auf August. Das ist ein toller Reim und eigentlich sollte hier kein Fließtext stehen, sondern ein Gedicht. Aber das las sich so bescheiden, dass ich es verworfen habe.
Also diese Con jedenfalls, da muss ich hin. Nicht so sehr um meinetwillen, sondern einfach weil alle da hingehen. Sehen und gesehen werden. Ich bin sehr ansehnlich und möchte mich daher zur Schau stellen. Ich kann dann behaupten: "Hey ich war da." Es gibt sogar die obligatorischen "Hey ich war dabei"-T-Shirts. Dann weiß zwar jeder, dass ich da war, doch zwei Wochen später erinnert sich sowieso keiner mehr an einen. Ich glaube, dass liegt gar nicht so sehr am Gedächtnis der Leute. Vermutlich hat es eher was mit Massenentführungen durch Aliens zu tun. Es gibt einfach keinen besseren Ort um unerkannt Leute zu entführen als auf einer Con, wo sowieso jede Menge Freaks, pardon, Leute mit spezifischen Neigungen, herumlaufen.
Deswegen bin ich den Leuten auch nicht böse, wenn sie mich mal wieder schief angucken oder Wiedererkennen einfach nur heucheln. Die Harmlosesten erzählen mir halt die Geschichte ihres Lebens zum dritten Mal.
Man könnte natürlich argumentieren: "Hey du warst doch der, der mir an den Arsch gefasst hat als er dachte durch den Nebel in der Disko würde ich ihn im Leben nicht wiedererkennen." oder "Hey wir hatten doch mal diesen total unanständigen Sex". Aber das wäre oberflächlich und oberflächlich bin ich nicht gerne.
Ich denke es ist klar geworden, dass so eine Con ein Erlebnis ist auf das man gehen sollte. Voller Spiel, Tanz, Unterhaltung und sozialen Kontakten (und Aliens).
Nur den 300 Euro, den bin ich jetzt gar nicht näher gekommen. Aber wenn jemand sie übrig hat, weiß er jetzt worin er sie investieren kann. Ich verspreche: Es wird sich lohnen. Ich mache auch Fotos. Ehrlich.

Montag, 18. April 2011

Atomkraft? Nein Danke!

Letztens schrieb ich mal wieder etwas. Es war eine lustige, kleine Anekdote meines Lebens in satirischer Form. Ich glaube, wenn ich jetzt in Japan Flugblätter mit satirischen Geschichten über AKWs verteilen würde, wären die Reaktionen nicht so gewesen. Aber Deutsche sind so ähnlich wie die Atome in Japans AKWs. Man ist schnell gespalten.
Es wäre natürlich auch schwer eine Anekdote über dieses Thema zu verfassen. Ich war nie bei so einer Katastrophe bewusst dabei gewesen. Obwohl damals, als ich noch ein kleiner Strahlemann war, war Tschernobyl gerade mal 7 Monate her. Es muss ein epischer Moment gewesen sein.
Meine Eltern, die schon die zukünftige postapokalyptische Zeit mit all den mutierten Atomzombies als reales Szenario im Hinterkopf hatten, taten mit meiner Zeugung einen großen Schritt in Richtung Menschheitserhalt. Vierundzwanzig Jahre später erinnert nur noch mein morgendliches Gebaren nach dem Aufstehen an die Zombieapokalypse.
Comicartige Heldenszenarien sind dank der aktuellen Katastrophe wieder voll im Trend. Jede Zeit hat ihre Helden. Der Held Deutschlands ist allerdings weiblich und kommt gebürtig aus Ostdeutschland. Man munkelt sie flog über ganz Deutschland um den AKW-Betreibern mit einem „Bäm“ und „Pew“ die Lichter auszublasen. Infolge dessen werden sie wohl auch in ganz Deutschland erlöschen, denn Energie ist überraschenderweise endlich.
Doch hier kommt unser zweiter Held ins Spiel und ich verrate nicht zu viel wenn ich sage, dass es nicht der Energieerhaltungssatz ist. Nein, der fetzigste Held der Neuzeit ist grün und während der geneigte Comicleser die Farbe Grün mit „ekligem Schleim“ oder „verstrahlt“ assoziiert, spielt das im Roulette der Helden gar keine Rolle. Grün ist unsere Rettung. Wir werden schon sehen! Und wenn die grüne Heldengarde persönlich Windkrafträder mit ihrem mächtigen Zeigefinger anschiebt.
Die Deutschen jedenfalls sind sich so einig wie schon lange nicht mehr. Seit kurzem klebt auch auf meiner Stirn ein Aufkleber „Atomkraft? Nein Danke“. Ich finde diese Aufkleber ja toll. Ich finde auch, dass die Bundesregierung, anstatt das Personal bei der GEZ aufzustocken, lieber ein Ministerium „für Aufkleber mit griffigen Sprüchen“ einrichten sollte. Es gibt so viele Bereiche wo diese Aufkleber Gutes für die Welt tun können.
Ich habe auch schon konkrete Ideen: „Relevanz des Wirkungsgrades bei der Diskussion um erneuerbare Energien? Nein Danke“ oder auch ein Verkaufsschlager „Sarrazin? Nein Danke“. Unangefochtene Nummer eins im Absatz wäre aber sicher „Integration? Nein Danke“. Man sollte dann beim Ministerium auch eigene Aufkleber bestellen können. Ich für meinen Teil hätte um reich zu werden sehr gerne einen Satz „Zoo? Nein Danke“. Seit dem Tod von Knut krieg ich nachts nämlich kein Auge mehr zu. Auf der anderen Seite hätte ich Angst vor der Gegenoffensive der Zoobefürworter. Auf ihren Nashörnern würden sie geritten kommen und auf jedem Horn prangt ein riesen Sticker. Das letzte was ich lesen würde bevor ich aufgespießt würde wäre „Intoleranz? Nein Danke“.

Ich bin Zoo

Letztens hatte ich wieder Kontakt mit den unteren Schichten Deutschlands. Es stand ein Besuch im örtlichen Zoo an. Ich hatte schon lange keine richtigen, exotischen Tiere mehr gesehen. Ab und an sieht man sie mal in diversen Internetforen, im Fernsehen, wenn man sich mal wieder die Plenarsitzungen anschaut oder bei Taff. Diesmal wollte ich sie aber live und zum Anfassen nahe.
Ich war gerade dabei mir die Wölfe anzuschauen, als neben mir ein kleiner Junge an sein Handy ging. Die Zeiten, in denen es mich überraschte, dass 10-jährige ein solches Gerät besitzen sind vorbei. Mittlerweile schockiert mich nur noch wenn sie mir von ihren neuesten Drogeneskapaden erzählen odervon ihren erotischsten Abenteuern.
Ich kam jedenfalls nicht umhin mitzuhören. Höchstwahrscheinlich war seine Mutter am anderen Ende der Leitung. Zumindest wenn ich „Ey Alte, hab ich doch erzählt Mann. Ich bin Zoo“ richtig übersetzt hatte. Dieser Sprachgebrauch war nichts neues, aber anstatt des üblichen Brechreizes hatte ich inmitten dieser Wildnis plötzlich eine Eingebung. Die Affen zwinkerten mir aufmunternd zu und ich verließ den Zoo mit einem guten Gefühl.
Ich nahm mir vor meine sprachlichen Fähigkeiten auszuweiten. Denn ich bin bemüht möglichst hipp zu sein. Als Nachhilfelehrer musst du einfach mit der Zeit gehen, um auf die jungen Leute eine Wirkung zu haben. Ich wollte also etwas Slang üben und besuchte deswegen meine Freunde. Ich erzählte ihnen nichts von meinen Plänen und als sie mich fragten was ich so getrieben hatte in letzter Zeit antwortete ich stolz: „Ich war Zoo.“
Das folgende Entsetzen lässt sich schwer in Worte fassen. Ich verstand das nicht ganz und erzählte ihnen noch etwas vom Streichelzoo, wo ich voll von einer Zeige aufgebockt wurde. Ich fand mein Missgeschick sehr lustig und rubbelte mir grinsend den Hintern.
Da ich allerdings im Slang noch nicht so drin war hatte ich natürlich Schwierigkeiten mich zu artikulieren. Das Missverständnis ließ sich nicht aufklären und ich wurde vom Hof gejagt. Mein Experiment betrachtete ich als Fehlschlag, und redete fortan wieder normal.
Ich dachte damit sei die Sache erledigt, aber letztens rief mich einer dieser Freunde an und wollte sich unbedingt mit mir Treffen. Ich dachte mir nichts Böses und sagte zu. Ich fand den Armen in seiner Wohnung. Er war völlig aufgelöst. Er hatte in so einem Forum geblättert und dort ein Thema gefunden mit dem Namen „Bist du Zoo?“. Es war eine Umfrage und man konnte ankreuzen: „Nein“ oder „Ja, Tierkörper ziehen mich an“. Man muss natürlich wissen, dass mein Kumpel Furry ist. Er kam also nicht umhin „Ja, Tierkörper ziehen mich an“ anzuklicken. Seitdem glaubt er, dass er Zoo ist. Man muss ihm natürlich Naivität attestieren. Er glaubte nämlich bisher, dass es beim Furry sein um Tierkörper, vorwiegend in anthropomorpher Form, geht. Er war verzweifelt und bat mich um meine Hilfe. Da ich ein guter Freund bin ließ ich mich nicht lumpen und rief die Polizei um ihn verhaften zu lassen.
Ich denke ein solcher Mensch ist potentiell gefährlich für alle Tiere. Schließlich mag er sie und wir alle wissen was „mögen“ heißt. Es bleibt nämlich nicht dabei. Man will die Tiere irgendwann nicht nur mögen. Nein, man möchte sie sogar streicheln oder ihnen Futter geben und wohin DAS nun wieder führt…
Mein Freund ist jetzt in Therapie. Ich habe gehört, dass die Firma „Niki“ gegen ihn sogar eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. Er darf sich jetzt Kuscheltieren nicht mehr als 100 Meter nähern.

Samstag, 25. Dezember 2010

Mann im Wintermantel

Es war Weihnachten und die Luft war erfüllt von diversen schönen Düften. Eine Komposition aus Zimt, Apfel, Glühwein und Gerichten unzähliger Essensstände stieg in die Nasen der glücklichen Menschen, die herumwuselten und die Atmosphäre um sich herum in sich aufsogen. Aus dieser Menge stach allein er heraus. Im Zentrum aller weihnachtlichen Vorfreude, all des Glitzerns und des Kinderlachens saß Einer im Wintermantel.
Der frisch gefallene Schnee auf seinen Schultern schmolz nicht ab, obwohl er auf der Bank neben einem der warmen Glühweinstände saß. Die Meute mied seine Umgebung, die Plätze zu seiner Seite waren leer und nass. Die Polizei hatte aufgegeben auf die Anrufe besorgter Mitbürger zu reagieren und hierher zu kommen. Sie hatten aufgegeben zu kontrollieren, ob der Unbekannte, den anscheinend niemand vermisste, tot war oder besoffen oder irgendwas, dass als Grund dienen könnte diesen schwarzen Fleck aus der goldenen Stimmung der Umgebung zu tilgen.
Doch er lebte, war nicht betrunken, kein Penner, war eigentlich ganz normal, war nur ein Mann im Winter, der stur den Blick geradeaus richtete. Wer davon getroffen wurde, den schüttelte es kurz, als wäre ein eisiger Schauer unter die warmen Jacken der Passanten gekrochen, um sie heimzusuchen, um ein Stück ihrer Seele einzufrieren. In diesen Momenten stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht, denn das war es was er konnte: Menschen frieren lassen.
Es war der dreiundzwanzigste Dezember, die Masse war in Hochstimmung, der Konsum florierte, alles war im Fluss. Er brachte viele Menschen zum frösteln, zählte die Schneeflocken, die wie eine weiße Wand die Last seiner Schultern vermehrten und lauschte mit geschlossenen Augen dem Schlag seines Herzens. Immer wenn er sie aufschlug fixierten sie einen dieser Weihnachtsnarren und ließ ihn erstarren. Es verschaffte ihm grimmige Befriedigung, wärmte sein Innerstes für einen Wimpernschlag. Auch er war Konsument.
Augen zu, lauschen, Augen auf, verzehren, Augen zu, lauschen, Augen auf und jemand kam auf ihn zu.
Er hielt inne, wollte niemanden bei sich haben, niemand könnte so viel Kälte ertragen. Was ein mutiger Trottel. Mutig? Wie war das mit Mut und Leichtsinn? Seine Blicke wollten dieses Lächeln ersticken, wollten dieses rosa auf den Wangen in ein Blau verwandeln. Doch er scheiterte und Panik machte sich in ihm breit.
Eine Flucht? Undenkbar. Das war sein ureigenster Platz.
Ihm sagen, dass er verschwinden soll? Er redete wirklich ungern. Also würde es seine Kälte richten müssen.
Sollte dieser Mensch doch erfrieren. Erfrieren tut nicht weh. Wenige Schritte trennten sie noch. Es schien dem Typen ernst zu sein. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und gefror zu kleinen Tropfen. Als sie sich dann gegenüberstanden musterten sie einander. Wie der Fremde dastand, in seiner warmen orangenen Kapuzenjacke, mit den roten Handschuhen, der roten Mütze und seinem unerschütterlichem Lächeln. Er erinnerte ihn an bessere Zeiten…
„Frohe Weihnachten wünsch ich dir“, er strahlte über das ganze Gesicht. Es war schwer sich ihm zu entziehen.
„F…Fr…Frohe Weihnachten,“ sprechen viel ihm schwer, denn es war schon lange her… „K…Ke…Kenne ich sie?“
„Nein, aber das plane ich zu beheben. Kommst du mit mir?“, er lachte glockenhell, dann ergriff er die Hände des Mannes im Wintermantel.
„Ich… Ich weiß nicht ob ich das noch kann,“ er schaute irritiert.
„Natürlich kannst du. Mit meiner Hilfe wird nichts schief gehen“, er zwinkerte mit einem Auge und zog ihn dann mit einem Ruck nach oben. Der Schnee flog von den Schultern, rieselte auf die leeren Bank und schmolz. Es blieb nur Wasser.
„Wer bist du?“ Er rang um Fassung, flüsterte ungläubig. Wann war er zuletzt aufgestanden?
„Na der, den du die ganze Zeit gesucht hast. Warum sonst durchwühlst du die Menge mit deinem einsamen Blick?“ Darauf wusste er nichts zu sagen. Die Antwort hatte er vor ein paar Minuten vergessen und bevor er weiter darüber nachdenken konnte wurde er in die Menge gezogen.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Jan, 23:47

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